Gedanken zu einem ernsthaften Thema

Es ist ja schon doll.

 

Der Unfall in Fukushima hat endlich – Tschernobyl war anscheinend nicht genug – ein Umdenken in Deutschland ausgelöst. Und zwar nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei den politisch verantwortlichen Regierungsparteien. Alle deutschen Kernkraftwerke werden stillgelegt.

 

Und nun nimmt da ein grüner Minister für Umweltschutz und Energiewende seine Aufgabe ernst und geht, anders als die allermeisten seiner Amtskollegen in den anderen Bundesländern, mit viel Energie an seinen Job und fängt an, ganz praktisch die ersten Schritte zur Umsetzung der Stilllegung und des Rückbaus der Kernkraftwerke anzugehen

- als Grüner, dessen Partei jahrzehntelang gegen eben diese Kernkraftwerke gekämpft hat, die nach dem Willen und mit der ausdrücklichen Billigung der großen „Volksparteien“ CDU und SPD seit rund 40 Jahren in Deutschland stehen

 

- und die uns, wir beginnen es zu merken, nicht nur Jahre, sondern auf Jahrzehnte und Jahrhunderte beschäftigen werden.

 

Von den noch überhaupt nicht kalkulierbaren Kosten, die mit größter Wahrscheinlichkeit nicht bei den Betreibern, sondern bei der Allgemeinheit landen werden, reden wir aktuell noch gar nicht.

 

Andere Dinge sind aber schon jetzt in der Diskussion und - wir Grünen wissen es - emotionalisieren all jene, die es betrifft oder betreffen könnte, mächtig.

 

Damit sind wir wieder beim Politiker, der seine Aufgaben ernst nimmt.

 

Der nicht nur, als Erster seit Jahrzehnten, einmal einen Blick in vorhandene Zwischenlager der Betreiber werfen lässt und dabei desaströse Zustände vorfindet.

 

Der nicht nur klar ausspricht, dass jedes Bundesland seinen Verpflichtungen bei der Zwischenlagerung von Atommüll nachkommen muss, sondern der sich darum kümmert, wie man die Stilllegung und den Rückbau der Kernkraftwerke, der in etlichen Jahren eventuell beginnen kann, nun wirklich ganz praktisch angehen könnte. Wenn man denn weiß, „wo man abbleibt“ mit den radioaktiven Substanzen und mit allem anderen, was da übrigbleibt.

 

Die radioaktiven Substanzen, also der „Atommüll“, gehört selbstverständlich in ein Endlager, das in Deutschland erst noch gefunden werden muss. 2018 werden wahrscheinlich die Kriterien festgelegt sein. Die Kriterien für den Beginn der Suche, wohlgemerkt. Wann ein solches Endlager gefunden sein wird und wann es in Betrieb gehen könnte, steht noch völlig in den Sternen bzw. in weiter, weiter Zukunft.

 

Alles andere, was beim Abriss eines Kernkraftwerkes übrig bleibt, muss aber, wie sämtlicher anderer Bauschutt, auf einer Deponie gelagert werden.

 

Selbstverständlich darf dort nur Schutt landen, der von unabhängiger Stelle (dazu zählen wir Landes- und Bundesbehörden, nicht unbedingt die Kernkraftwerksbetreiber) untersucht und für unbedenklich erklärt worden ist. Eine Strahlung von 10 Mikrosievert pro Jahr ist in der bundesdeutschen Strahlenschutzverordnung als Grenzwert für solchen Bauschutt festgelegt.

 

Ohne irgendeine Strahlung verharmlosen zu wollen: Beim Ferienflug in 10 Kilometer Höhe „holt“ man sich eine zusätzliche Dosis von 5 Mikrosievert pro Stunde. Die durchschnittliche jährliche Gesamt-Strahlenexposition eines Bundesbürgers beträgt 2,4 Millisievert, das sind 2400 Mikrosievert.

 

In Schleswig-Holstein gibt es sieben Deponien, die Bauschutt aus dem Rückbau von Kernkraftwerken aufnehmen könnten.

 

Um ein für die Bevölkerung transparentes Verfahren zu gewährleisten, hat das Ministerium über diese sieben Standorte informiert und ist mit den Anwohnern, die um diese Deponien herum wohnen und mit ihren Gemeinden ins Gespräch gegangen.

 

Die Reaktion war, wie man sich hätte denken können, heftig und emotional, dabei aber zum Teil auch einfach irrational. Es ist wahrhaftig nicht so, dass wir Grünen etwas gegen Bürgerinitiativen hätten. Grüne Menschen haben sich jahrzehntelang in Bürgerinitiativen für und gegen alle möglichen Dinge engagiert, zu allererst auch gegen die Nutzung der Kernkraft.

 

Es gibt wohl kaum jemanden, der gerne neben einer Mülldeponie wohnen möchte. Dass die Deponie in Schönwohld nun, statt endlich geschlossen zu werden, auch noch als potentieller Aufnahmeort für Bauschutt aus stillzulegenden schleswig-holsteinischen Atomkraftwerken in der Diskussion war, führte für die in unmittelbarer Umgebung Lebenden sicher zur Verunsicherung und beängstigte sie. Dafür haben wir großes Verständnis.

 

Wenn nun aber im Zusammenhang mit dem Bemühen um Transparenz und Offenheit der Informationen generell von „Atommüll“ oder gar „Roberts Atommüll“ die Rede ist, geht das weit an einer sachlichen Auseinandersetzung mit diesem ganzen Thema vorbei.

 

Die Tatsache, dass ein grüner Minister, der seinen Job ernst nimmt und gewissenhaft informiert, plötzlich zum Buhmann und „Schuldigen“ an der Problematik des Ausstiegs aus der Kernenergie gemacht wird, ist schon kurios. Da kocht dann teilweise auch schon wieder ein „parteipolitisches Süppchen“.

 

Um es noch einmal klar zu sagen: Auch wir Grünen wollen keinen Atommüll in Schönwohld. Wenn nicht komplett sichergestellt ist, dass die zur Deponierung vorgesehenen Stoffe genau so ungefährlich sind wie der Bauschutt „von der alten Garage des Nachbarn“, stehen auch wir in der ersten Reihe der Protestierenden.

 

Wir haben allerdings keinen Zweifel an der gewissenhaften Arbeit des aktuellen schleswig-holsteinischen Ministers für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, der sich seiner Verantwortung für unser aller Umwelt bewusst ist.

 

Robert Habeck: „Wir wissen, wie sensibel alles ist, was irgendwie mit Atomkraftwerken zu tun hat. Dem wollen wir Rechnung tragen und führen deshalb einen transparenten Informationsprozess. Ich werbe sehr dafür, dass wir als Land und als Gesellschaft gemeinsam Verantwortung übernehmen und nicht anfangen mit einer „Nicht vor meiner Haustür“-Politik. Es war ein Fehler, in die Atomenergie einzusteigen. Der mit überwältigender Mehrheit beschlossene gesetzliche Atomausstieg korrigiert diesen Fehler – viel zu spät. Jetzt sind wir gefordert, den Ausstieg umzusetzen."