Warum Quarnbek ohne beschlossenen Haushalt ins Jahr 2016 gehen muss.

Die Stimmung ist nicht gerade toll ... es ist kalt, es ist dunkel, es ist Winter .... und ... es klemmt mal wieder.

 

Wie inzwischen aufgrund der zunehmenden Behinderungen im „täglichen Ablauf“ in der Gemeinde bald jeder Bürger mitbekommen haben dürfte, haben wir in Quarnbek aktuell keinen Haushalt.

 

Ein Start in ein neues Jahr ohne einen von der Gemeindevertreterversammlung beschlossenen Haushalt ist für Quarnbek Neuland. Hatten wir noch nie, brauchen wir, wie sich weiter unten herausstellen wird, auch nicht wirklich.

 

Wie konnte das passieren ??

 

Hier mehr hören (und unten mehr lesen).

Am 01. Dezember lief im Amt die finale Finanzausschuss-Sitzung des Jahres 2015. Die Ausschüsse hatten – diesmal sehr zeitig – ihre Mittel-Anmeldungen abgegeben. Das Amt hatte die Haushaltsposten, an denen die Gemeinde und die Ausschüsse wenig bis gar nichts ändern können (ungefähr 95% unseres Haushaltes), dazugepackt.

 

Und man blickte in besorgte Gesichter. Es war vorher schon „durchgesickert“, daß der Haushalt 2016 (wie auch die Haushalte der vergangenen Jahre seit Einführung der Doppik) defizitär sein würde. Wir hatten im Sommer erfahren, daß wir im Jahr 2014 erfreulicherweise ein erheblich kleineres Minus produziert hatten als geplant, auch das Jahr 2015 wird mit einem Fehlbetrag im Finanz- und Ergebnishaushalt abschließen – und trotzdem hat dieser 2016er-Haushalt eine neue Qualität.

 

Wir können nämlich nicht mehr wie in der Vergangenheit auf – zumindest rechnerisch vorhandene – Rücklagen zugreifen, um die Defizite auszugleichen, sondern werden im Jahr 2016 zum Ausgleich des Haushaltes einen Kredit aufnehmen müssen ... ob wir wollen oder nicht ...

 

Das gab es bisher noch nicht, ist in anderen Gemeinden und Städten in Schleswig-Holstein zwar schon länger so, aber beileibe nicht erstrebenswert.

 

Wir hörten uns an diesem 01. Dezember Vorschläge von Frau Brandt und Herrn Carstensen an, wie wir zum einen an den Ausgaben sparen und zum anderen an der Einnahmen-Situation Verbesserungen erreichen könnten.

 

Am 01. Dezember waren wir uns im „Groben und Ganzen“ darüber einig, dass die Ausschüsse beileibe nicht verschwenderisch an die Mittel-Anmeldung gegangen waren und sich an die - natürlich schon länger im Raum stehenden - Vorgaben für sparsames Haushalten gehalten hatten.

 

„Auf Null“ kann man die Mittel nun einmal nicht herunterfahren, die Bürger erwarten schließlich, daß ihre Gemeinde funktioniert, Kinder in die Kita und in die Schule gehen können und in den frühen Abend-Stunden die Wege ausleuchtet sind. Ein funktionierendes Vereinsleben ist ebenso wichtig und nötig wie eine ordentlich ausgerüstete und motivierte Feuerwehr, und ... und ... und ... Wenn man sich ein wenig damit beschäftigt, wird schnell klar, daß die Gemeinde eine Menge von dem organisiert, was man als steuerzahlender Bürger selbstverständlich und gerne in Anspruch nehmen kann, darf und auch soll.

 

Wir fanden auf dieser Sitzung noch ein paar kleine und einige größere Ausgaben-Posten, die wir aus dem Haushaltsentwurf für 2016 streichen konnten. Wir mussten der Feuerwehr mit Bedauern mitteilen, dass wir zwar alles tun werden, um die Ausrüstung instand zu halten (wozu wir übrigens gesetzlich verpflichtet sind), aber die „Ablösung“ des 23 Jahre alten „LF8“ vor 2019 nicht angegangen werden kann, weil wir momentan einfach kein Geld für diese – aus vielen guten Gründen eigentlich nötige – Investition haben.

 

Wir haben dann – keine/r ohne Bauchschmerzen – der nächsten Gemeindevertreterversammlung empfohlen, die Grundsteuersätze A und B sowie die Gewerbesteuer „auf die zur Beantragung von Fehlbedarfszuweisungen nötige Höhe“ anzuheben.  Die Empfehlung der Hebesatz-Anhebung der Grundsteuer A (für landwirtschaftlich genutzte Flächen) auf 370% und der Grundsteuer B (für Wohneigentum) auf 390% sowie der Gewerbesteuer auf 370 % wurde mit 5 JA-Stimmen und einer Enthaltung (von der wir) angenommen.

 

Die „Fehlbedarfs-Zuweisungs“-Geschichte hört sich kompliziert an, ist aber eigentlich ganz einfach erklärt: Wenn eine Gemeinde (wie Quarnbek 2016) nicht genügend eigene Finanzmittel mehr hat, um ihren Haushalt zu bestreiten, kann Sie beim Land einen „Zuschuss“ beantragen, der das Defizit zumindest mindert.

 

Um diesen Zuschuss aber überhaupt beantragen zu können, muss eine Gemeinde zunächst sparen, wo es irgend möglich ist und zusätzlich im Rahmen einer vom Land ziemlich exakt definierten Liste alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um Einnahmen zu generieren. Diese Liste umfasst 62 Punkte, die man „abarbeiten“ muss, um dann diese Fehlbedarfszuweisungen beantragen zu können.

 

Ein wichtiger Punkt sind dabei die einzigen überhaupt nur von der Gemeinde zu beeinflussenden Grundsteuern A und B, die Gewerbe- und die Hundesteuer.

 

Wir haben dann am 01. Dezember abschließend darüber abgestimmt, ob wir der Gemeindevertreterversammlung den vorliegenden Haushaltsentwurf zu Zustimmung empfehlen sollten, diese Empfehlung wurde mit 4 JA-Stimmen und zwei Enthaltungen (wir) ausgesprochen.

 

Das war der erste Dezember: Alle hatten „Bauchweh“ mit den Entscheidungen, keiner hat es sich leichtgemacht, es wurde in großer Ernsthaftigkeit um Worte und Entscheidungen gerungen.

 

Dann kam der 17. Dezember, die Gemeindevertreterversammlung, auf der der Haushalt beschlossen werden sollte. Wir waren nicht ganz komplett: Eine wir-Vertreterin und ein grüner Vertreter fehlten.

 

Nachdem die Gemeindevertreterversammlung sich eine gute Stunde mit diversen Berichten und Beschlüssen befasst hatte, ging es dann in Top 13 zunächst um den Nachtragshaushalt für 2015, der mit 11x JA und einer Gegenstimme (wir) angenommen wurde.

 

Dann kamen wir unter Top 14 zum Haushalt 2016. Der Finanzausschussvorsitzende Dirk Schacht hatte zu Beginn der Sitzung gebeten, vor dem Beschluss über den Haushalt zunächst über die Anhebung der Hebesätze zur Grundsteuer A und B sowie der Gewerbesteuer abzustimmen.

 

In diesem Zusammenhang wurde dann angeregt, die Grundsteuer A (für landwirtschaftlich genutzte Flächen) und die Grundsteuer B (für Wohneigentum) gleich zu behandeln und – abweichend von der Empfehlung des Finanzausschusses - beide auf das gleiche Niveau, also auf die für die Beantragung von Fehlbedarfszuweisungen nötigen 390% anzuheben.

 

Nach kurzer Diskussion mit PROs und CONTRAs hat die Gemeindevertretung abgestimmt und mit 8x JA (davon die kompletten sechs grünen Stimmen), 2x NEIN und 2 Enthaltungen diese Anhebung angenommen.

 

Danach ging es dann um den Haushalt 2016, Dirk Schacht berichtete über die schlechte Lage und das zu erwartende Defizit und wies auch darauf hin, dass wir auf einen sehr großen Teil der Gemeinde-Ausgaben schlicht und einfach überhaupt keinen Einfluss haben.

 

Bürgermeister Klaus Langer verdeutlichte diesen Fakt noch einmal und machte klar, dass von den ca. 2,3 Mio. Euro Einnahmen nach Abzug der fest stehenden oder vertraglich vereinbarten Ausgaben von ca. 2,13 Mio. Euro noch knappe 170.000 Euro übrig bleiben, über die wir selbst verfügen dürfen ....

 

.... mit denen wir allerdings u. a.  irgendwie den Brandschutz, die Straßen-, Grünflächen-, Knick- und Wegeunterhaltung, die Strassenbeleuchtung, den Winterdienst, die Regenwasser-Beseitigung, die Gebäudeunterhaltung und -bewirtschaftung, die Jugendbetreuung, die Kostenbeteiligung an der Betreuten Grundschule und kleine Zuschüsse zu diversen Vereinen, Verbänden und – last but not least - der „Gemeindezeitung“ „Unser schönes Quarnbek“ stemmen müssen.

 

Wie man bei diesem Budget, diesen Aufgaben und einem prognostizierten Defizit von guten 200.000 Euro durch Einsparungen zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen könnte, ist schon schwer rätselhaft.

 

Um es einmal auf deutsch zu sagen: Selbst wenn man keine dieser für alle wichtigen Aufgaben wahrnehmen würde, liefe man in ein Minus.

 

An diesem Punkt angekommen äußerte Wolfgang Gradert (Fraktionsvorsitzender der CDU), dass ihm eigentlich erst am 01.12. klargeworden wäre, wie schlecht es um unseren Haushalt stünde und er diesem Haushalt heute nicht zustimmen würde. Da müssten die Ansätze noch einmal energisch in den Ausschüssen durchgegangen und noch viel mehr gespart werden. Andere Vertreter der wir und der CDU schlossen sich dieser Meinung an, Harald Steffen (wir) schloss – O-Ton: „Ich verstehe mich hier als Vertreter der Bauernschaft“ - seine Zustimmung zu diesem Haushalt schon wegen der beschlossenen Anhebung der Grundsteuer A auf 390% (gegen die er gestimmt hatte) aus.

 

Nachfragen von grüner Seite, ob man denn wirklich meine, in den Ausschüssen so schlecht gearbeitet zu haben und einen wirklich nennenswerten Spar-Effekt mit einer nochmaligen zeitaufwändigen Ausschuss-Runde zu erzielen, wurden nicht beantwortet und hätten unserer Meinung nach auch gar nicht positiv beantwortet werden können.

 

Die von Bürgermeister Klaus Langer angeführte Möglichkeit einer Verfügungssperre wurde für nicht diskussionswürdig gehalten.

 

Anschließend wurde – aus uns immer noch nicht nachvollziehbaren Gründen – von der CDU eine namentliche Abstimmung beantragt.

 

Wir Grünen beantragten vor der Abstimmung eine kurze Unterbrechung, um uns verdutzt anzusehen, uns kurz zu kneifen ... und uns bewusst zu werden, dass wir anscheinend mit der Ablehnung des - vom Finanzausschuss ohne Gegenstimme empfohlenen - Haushaltes durch die wir und die CDU zu rechnen hätten. Premiere in Quarnbek !!

 

Die Bedeutung dieser für uns immer noch nicht nachvollziehbaren Entscheidung war an diesem Abend anscheinend nicht jedem so recht klar, die verblüfften bis leicht entsetzten Blicke von Herrn Boller vom Amt, der unser aller Protokoll schrieb, sprachen aber Bände.

 

Und so kam es, wie zu Beginn des Abends ?niemand? hätte ahnen können ... wir Grünen stimmten sechs Mal namentlich mit JA, die CDU und die wir stimmten sechs Mal namentlich mit NEIN.

 

Mit dieser Stimmengleichheit war dann, wie wir es schon einige Male erlebt haben, die Zustimmung nicht erteilt, der Haushaltsplan 2016 also abgelehnt.

 

Die CDU und die wir waren es, wie es schien, einigermaßen zufrieden, jetzt würde halt noch einmal kräftig gespart, Anfang des Jahres müssten dann erst einmal die Ausschüsse tagen.

 

Wir Grünen haben an diesem Abend angefangen, über die Konsequenzen des abgelehnten Haushaltes zu diskutieren und nachzudenken.

 

Die Tragweite der Tatsache, haushaltslos ins neue Jahr zu gehen, wurde allen dann am 22. 12. durch ein freundliches Schreiben von Herrn Carstensen bestätigt, in dem er die „Spielregeln“ verdeutlichte, nach denen eine haushaltslose Gemeinde „spielen“ muss bzw. nur noch spielen kann.

 

Die gesetzlich oder vertraglich vereinbarten Leistungen der Gemeinde wie Gehälter oder Versicherungen laufen weiter. Für alles andere muss der Bürgermeister für das Amt einen „Unaufschiebbarkeitsvermerk“ fertigen und den vom Amt genehmigen lassen, damit er eine Ausgabe tätigen darf.

 

„Alles andere“ sind zum Beispiel Büromaterial, Kopierpapier oder ähnliches für die Schule, Kleinmaterialien für den Kindergarten, Tankfüllungen für die Feuerwehr und den Bauhof, auch jede Beschaffung von Toilettenpapier und Putzmittel für Schule und Kindergarten muß einzeln vom Bürgermeister beantragt, begründet und als unaufschiebbar bezeichnet werden, damit das Amt dann seine Zustimmung geben kann.

 

Dass sich die Begeisterung des Bürgermeisters (und ggfs. sicher auch der stellvertretenden Bürgermeister/innen) ob solcher immens erschwerten täglichen Arbeitsbedingungen arg in Grenzen hält, ist sicher nachzuvollziehen. Auch im Amt überschlägt man sich nicht gerade vor Freude wegen des ungleich höheren Aufwandes.

 

Wir haben also, durch die eine Hälfte der Gemeindevertretung - vielleicht sogar unwissentlich – verursacht, mächtig Sand im Gemeinde-Getriebe !!

 

Und ... der Weg aus der Misere „wird kein leichter sein“.

 

Ein erster Schritt wurde auf einer eilig einberufenen Finanzausschuss-Sitzung am 06.01. eingeleitet, in der eine Anhebung der – in der letzten Ausschusssitzung vergessenen, aber für die Fehlbedarfs-Zuweisungs-Beantragung nötigen – Hundesteuer auf EUR 110,00 für den ersten und EUR 150,00 für jeden weiteren Hund einstimmig beschlossen wurde.

 

Und man gab dort – ebenfalls einstimmig - die Empfehlung an die Gemeindevertreterversammlung, dem Haushalt in der vorliegenden Form DOCH zuzustimmen, mit einer – von Klaus Langer schon am 17. Dezember angeregten – Verfügungssperre von 50%. Hätte man einfacher haben können.

 

Eine „Verfügungssperre“ bedeutet im Klartext, dass jeder der Haushaltsposten, über die die Gemeinde frei entscheiden darf, bis zum Beschluss eines endgültigen Haushaltes in seiner Höhe (in Euro) auf 50% beschränkt wird.

 

Damit „kauft“ man sich gewissermaßen Zeit, um einen – soweit möglich - sparsameren Haushalt aufzustellen.

 

Bis dieser Finanzausschuss-Beschluss Wirkung zeigt (wenn er denn auf der nächsten Gemeindevertreter-Sitzung die nötige Zustimmung erfährt), dauert der Ausnahme-Zustand in der Gemeinde allerdings an.

 

Ob sich die Vertreter der wir und der CDU wirklich darüber klar waren, was sie da taten ??

 

Die Ausführungen von Klaus Langer auf der Finanzausschuss-Sitzung, in denen er diverse Spar- bzw. Haushalts-Konsolidierungs-Ansätze der Grünen in den letzten 20 Jahren aufzählte und sich – mit allem Recht – gegen in die Gemeinde gestreute Meinungen, „die Grünen hätten in den letzten drei Jahren das gesamte Gemeindevermögen verprasst“, verwahrte, wurden von den beiden anderen Fraktionen als „nicht zielführendes Wühlen in der Geschichte“ bezeichnet.

 

„Man müsse doch jetzt in die Zukunft blicken und solle konstruktiv zusammenarbeiten“

 

Meine Frage, ob man denn jetzt – nach Ausrufung des eisernen Sparwillens - von den Fraktionen der wir und der CDU erfahren dürfe, WO man sparen wolle ... mit dem Hinweis, dass Sparen natürlich immer irgend jemandem weh tut ... wurde als völlig unpassend und gar nicht konstruktiv abgetan.

 

In dem Punkt sind wir Grünen immer noch ein wenig rat- und fassungslos.

 

Da lassen zwei Fraktionen unter Beteuerung äußersten Sparwillens einen selbst entscheidend unter einem CDU-„Finanzminister“  mitgestalteten Haushaltsentwurf krachend an die Wand fahren, bringen die Gemeinde bzw. die Gemeindeorgane und den Bürgermeister in eine wirklich belastende Situation und werden dann ihrem eigenen Anspruch leider nicht gerecht. Wir warten da auf die Einlösung der guten Vorsätze ... kann man ja mal zu Beginn des Jahres.

 

Wie dem auch sei, wir Grünen sehen `s positiv, werden selbstverständlich in den Ausschusssitzungen konstruktiv an den Sparanstrengungen mitarbeiten .... auch wenn wir leichte Zweifel daran haben, dass wirklich substantielles „dabei rumkommt“. ... außer, wenn es wehtut .... wir sind neugierig, wo die Schmerzgrenzen liegen.

 

Mit den besten Wünschen für ein friedliches Jahr 2016

 

Johann Schirren

 

für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen